Glossar

Fachbegriffe, die wir in unserer Arbeit verwenden.

Alphabetisch geordnet. Falls dir Begriffe im Glossar fehlen, bitte mitteilen!

  • Autismus: Eine neurologische Variante, wie das Gehirn funktionieren kann. Zeichnet sich durch eine Reizverarbeitungsschwäche, Schwierigkeiten in der Kommunikation und dem sozialen Miteinander und dem Bedürfnis nach sich wiederholenden und stereotypen Verhaltensweisen (Routinen und Stimming) aus. (Diese Definition ist verkürzt. Jede autistische Person ist einzigartig. Kennst du eine autistische Person, kennst du eine autistische Person.)
  • Autismus-Spektrum-Strömung ist ein medikalisierter Begriff zur pathologischen Darstellung von Autismus. Wird in der medizinisch-psychologisch-psychiatrischen Diagnostik verwendet und ersetzt die ursprünglichen Formen von Autismus im ICD-11.
  • Overload: Eine Reizüberflutung, die durch die Reizverarbeitungsschwäche bei autistischen Menschen häufiger vorkommt, weil wir sensibler auf sensorische (und zum Teil auch emotionale) Reize reagieren. Im Overload wird die Reaktionszeit länger, wir sind weniger leistungsfähig und bräuchten eigentlich eine reizarme Umgebung, um uns zu regenerieren. Wird ein Overload nicht reguliert, kann es zu einem Meltdown oder einem Shutdown kommen.
  • Masking/Maskieren: Erlernte (und zum Teil verinnerlichte) Verhaltensweisen, die angewendet werden, um möglichst neurotypisch zu wirken und den eigenen Autismus zu verstecken. Beispielsweise "fünf Sekunden in die Augen schauen, drei Sekunden weg schauen, wiederholen", um die Illusion von Augenkontakt herzustellen.
  • Meltdown: Die „exotherme“ Variante eines nicht regulierten Overload. Dabei wird oft versucht, aus der Situation zu entkommen, zu fliehen, die Reizüberflutung nach außen abzugeben. In der Literatur oft fälschlicherweise als „Wutanfall“ beschrieben, jedoch kein emotionaler Ausbruch, sondern neurologische Überlastungsreaktion.
  • neurodivergent: Menschen, die nicht neurotypisch sind.
  • neurodivers/Neurodiversität: Das gesamte Spektrum der neurologischen Variationen (neurotypisch + neurodivergent = neurodivers).
  • neurotypisch: Menschen, die nicht auf dem Autismus/ADHS-Spektrum liegen bzw. keine neurologische Variation (Dyskalkulie, Dyslexie, Tourette, etc.) haben
  • nonverbal: Verbalität ist für viele autistische Menschen ein anstrengender Zustand. In stressigen Situationen oder im Overload kann es bei üblicherweise verbalen Autist*innen zu einem selektiven Mutismus (einer zeitlich begrenzten Unfähigkeit zu sprechen) kommen. Einige autistiswche Menschen sind dauerhaft nonverbal/mutistisch. Die Fähigkeit zu verbaler Kommunikation sagt nichts über Intelligenz oder Kommunikationsmöglichkeiten aus.
  • Reizverarbeitungsschwäche: Autistische Menschen nehmen Reize anders wahr als neurotypische Menschen. Ich nehme beispielsweise sanfte Berührungen (streicheln) als unangenehm bis schmerzhaft wahr, während ich tätowiert werden als entspannend bis leicht unangenehm empfinde. Das gilt sowohl für sensorische Reize, als auch für emotionale Reize. (Deshalb kann ich Menschen auch nicht in die Augen schauen. Da prasseln zu viele Informationen auf mich ein, die ich nicht verarbeiten kann.) Diese Erfahrungen teilen viele autistische Menschen.
  • selektiver Mutismus: zeitlich begrenzte Unmöglichkeit des verbalen Sprechens. Das „selektiv“ ist auf Zeit, nicht auf Intention bezogen. Selektiver Mutismus hat nichts mit „Schweigegelübde“ oder „nicht reden wollen“ zu tun. Menschen im selektiven Mutismus können während dieser Zeit nicht verbal sprechen.
  • Shutdown: Die „endotherme“ Variante eines nicht regulierten Overload. Die Reizüberflutung wird dabei nach „innen“ abgegeben, es kann zu Nonverbalität, Selbstverletzendem Verhalten oder vollständigem Rückzug in Dissoziation kommen. Ein Shutdown ist sehr anstrengend, da die gesamte Reizüberflutung in das eigene System weitergegeben wird.
  • Stimming: sich wiederholende Handlungen, die zur Reizregulation eingesetzt werden, meist unbewusst. Dazu können gehören: Wippen, Kauen, Summen, Echolalie, „flapping hands“ (flatternde Hände), Zähneknirschen, mit Kulis klickern, an Kleidung oder den Fingernägeln zupfen, etc. Es gibt sogenannte Stimtoys oder Stimschmuck, um gezielt und entspannt stimmen zu können (Fidget Spinner, Fidget Cubes, Schmuck mit drehbaren Elementen oder ätherischen Ölen gefüllt). Stimming wird für die Regulation aller Reize, auch positiver Reize, eingesetzt (happy stimming). Stimming ist deshalb nichts negatives und nicht mit Nervosität zu verwechseln.